7. INTAVOLIERUNG EINES MADRIGALS
NACH GANASSIS REGELN



Drittes und letztes Beispiel ist das Madrigal "Madonna io mi consumo" von Costantio Festa. Es ist auf der Basis der in den vorhergehenden Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse im Stil Ganassis für Singstimme (Tenor) und Viola da gamba intavoliert. Wie die beiden schon besprochenen Stücke ist es im Bassus-Stimmbuch der Sammlung Delle madrigali a tre voci, Scotto, Venedig 1537 enthalten. Das vollständige Madrigal habe ich (zusammen mit G. Foglianos "Io vorrei Dio d'amore") Costantio Festas Primo libro de madrigali, Gardano, Venedig 1556 entnommen. Voraussetzung bei der Auswahl eines zur Intavolierung geeigneten dreistimmigen Madrigals ist:

Die zweite Voraussetzung erfüllt "Madonna io mi consumo" nur, wenn es eine Oktave nach unten transponiert wird. Oktavtranspositionen von dreistimmigen Madrigalen scheinen schon im 16. Jahrhundert durchaus üblich gewesen zu sein, da in der oben genannten Sammlung von 1537 mehrere Stücke existieren, welche in der späteren Ausgabe von 1556 eine Oktave tiefer wiedergegeben sind.
        Alle "Problemstellen" bzw. vom Original abweichende Intavolierungslösungen habe ich nach Ganassis Regelkatalog bezeichnet (durch Anklicken der Kästchen kann man auch hier wieder zum entsprechenden Punkt des Regelkatalogs springen). Im Gegensatz zu Foglianos "Io vorrei Dio d'amore", in welchem ganze Abschnitte wiederholt werden und Ganassi so die Möglichkeit zur "Variation" (Punkt 5 des Regelkatalogs) geben, sind bei Festa die Parallelstellen schon in der Originalkomposition durch einen Stimmtausch Cantus - Tenor variiert.

Die Intavolierung eines 4- oder 5-stimmigen Madrigals ist bei Ganassi leider nur im Text erwähnt.2 Einen Anhaltspunkt hierfür kann das vierstimmige Madrigal "O begli anni del'oro" aus einem Intermedium F. Corteccias von 1539 mit der Besetzungsangabe "Sonato .... da Sileno con Violone, sonando tutti le parti e cantando il soprano" geben.3 Auch dieses Stück erfüllt die oben genannten Voraussetzungen, allerding stellt uns die Angabe "e sonando tutti le parti" vor neue Fragen. Zum einen wäre es eine große Abweichung zu Ganassis Beschreibung, in welcher die Melodiestimme nie von der Gambe mitgespielt wird, zum anderen ergeben sich daraus zahlreiche Intavolierungsprobleme. Aus diesen Gründen tendiere ich mehr zu der Annahme, dass mit "sonando tutti le parti" nur die drei Unterstimmen gemeint sind, da sich das Stück - das ja wahrscheinlich schon von vornherein für diesen Zweck komponiert wurde - dann problemlos (von einigen Bassoktavierungen abgesehen) intavolieren lässt.4

"Madonn' io mi consumo"

* Da die Baßstimme nach dieser Kadenz für zwei Takte pausiert, erscheint es mir musikalisch sinnvoller in das tiefe D (wie im Original) zu kadenzieren. Allerdings ist dann keine Klangverlängerungs-Unterteilung in Halbe möglich, der Abstand wird zu groß. Eine Oktavierung der zweiten Hälfte der Baßnote nach oben würde wie ein neuer Einsatz klingen.

NÄCHSTE SEITE - NÄCHSTES KAPITEL - INHALTSVERZEICHNIS


1siehe Q.1.
2
siehe Q.1.
3"Musiche fatte nelle nozze dello Illustrissimo Duca di Firenze il Sign. Cosimo de Medici e della Illustr. Consorte sua Mad. Leonora di Toleto", Venezia, Gardane 1539; abgedr. in R. G. Kiesewetter: "Schicksale und Beschaffenheit des weltl. Gesanges.....", Leipzig 1841, Musikalische Beilagen, S. 65/66.
4Eine Intavolierung dieses Madrigals (allerdings mit Oberstimme und ohne Rücksicht auf die Spielbarkeit) ist bei A. Schering, Aufführungspraxis alter Musik, Leipzig 1931, S. 96, abgedruckt.