8. AUSBLICK
La St. Cecilia
In Italien sind außer Berichten und Besetzungsangaben über Lironebegleitung in Opern, Kantaten, Motetten und Oratorien (Der letzte bekannte Lironespieler Pietro Salvetti starb gegen Ende des 17. Jahrhunderts.)1 keine musikalischen Quellen für ein cantar alla viola mehr überliefert. Einzig auf einem Bild der St. Cecilia (die Schutzheilige der Musik) ist eine zur Gambe singende Frau zu sehen. Das Musikstück aus dem von einem Putto gehaltenen Notenbuch ist bei Benvenuto Disertori, La musica nei quadri antichi2 abgedruckt (das Stück erscheint auch durch Anklicken des Notenbuches), hat jedoch als Begleitung der Singstimme nur eine einfache Baßstimme. (Wobei allerdings offen bleibt, ob gerade die Schutzheilige der Musik nicht doch Akkorde hinzugefügt hat.)
|
|
La Santa Cecilia del Louvre (um 1620) di Domenico Zampieri (1581-1641), Louvre Paris |
|
Das Verschwinden des cantar alla viola und der Gambe überhaupt in Italien im 17. Jh. hat seinen Grund wohl auch darin, dass sich in Italien die Gewichtung des musikalischen Geschmacks mehr in Richtung der Instrumente der Violin-Familie verschob. Neues Zentrum des Gambenspiels wurde England.
Die Choir-schools
""Hactenùs plectrum, citharámque vates Noverint;
Arcu Violáque freti Concinent posthac.
(Bis jetzt mögen die Sänger das Plektrum und die Kithara kennen;
von nun an werden sie zum Spiel mit Bogen und Viola singen.)
Gedicht von J.A. Ghibbes in C. Simpsons The Division Viol, London 16653
Gerade die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts ist in England eine
Blütezeit des cantar alla viola. Dort wurde schon gegen Mitte des
16. Jahrhunderts das Gambenspiel neben dem Singen ein wichtiger Teil der
musikalischen Ausbildung der Knaben in den Choir-schools. Dies bewirkte eine
große Weiterentwicklung des Gambenspiels und der Gambentechnik. Da die
Choir-Boys auch für Theateraufführungen herangezogen wurden, war das
Singen zur Gambe auch auf der Theaterbühne etabliert.4
Diese Vergrößerung des zum cantar alla viola befähigten
Musikerkreises, und die Verbreitung des Gambenspiels vom Adel bis in die
Bürgerschichten könnte die Erklärung für die nun in so rascher Folge
erscheinenden Druckwerke mit Musik für Voice and (Lyra-)Viol sein. Das
bekannteste Beispiel für einen auf der Gambe begleiteten "Song" ist
wohl "Tobacco" aus Tobias Humes First Part of Ayres von
1605. Erwähnenswert sind auch die englischen Caccini-Bearbeitungen für
Lyra-Viol im Manuskript Egerton 2971 (um 1620, London, British Library) die
man als eine Hommage an den Lira da gamba spielenden Komponisten Caccini
verstehen könnte.
Da die Sekundärliteratur zu diesem Thema schon ziemlich umfangreich ist,
möchte ich hier auf die im Folgenden aufgelisteten Bücher und Artikel
verweisen:
- Mary Cyr, A seventeeth-century source of ornamentation for voice and viol, RMA Research Chron. 9, 1971, S. 53-72.
- Mary Cyr, Song Accompaniment for Lyra Viol and Lute, JLSA 4, 1971, S. 43-49.
- Edward Huws Jones, To sing and play to the base-violl alone, LSJ 1975, S. 17-23.
- Anette Otterstedt, Die englische Lyra-Viol, Berlin 1987.
- Andrew J. Sabol, Two unpublished Stage Songs, Renaissance News XIII, 1960, S. 225-9.
- Frank Traficante, Music for Lyra Viol: Manuscript Sources, Chelys 8, 1978-79, S. 4-22.
- Frank Traficante, Music for the Lyra Viol: The printed sources, LSJ 8, 1966, S. 7-24.
- Peter Walls, Lyra Viol Song, Chelys Nr. 5, S. 68-73.
Eine "Musikalische Gemüths-Ergötzung"
Auch in Deutschland gab es Bestrebungen zur Liedbegleitung auf der Viola
da gamba. Allerdings weisen beide erhaltenen Quellen eine Besonderheit auf:
In der Gambenstimme wird die Melodiestimme fast immer mitgespielt und mit
Bassnoten und Akkorden begleitet.
Bei der ersten Quelle handelte es sich um Jakob Krembergs, Musikalische
Gemüths- Ergötzung, Dresden 1689, in welcher sich
Arien-Tabulaturbegleitungen für zahlreiche Instrumente befinden: Laute/Angelique,
Viola da Gamba und Chitarra.
Die zweite stilistisch sehr ähnliche Quelle ist ein einzelnes Blatt mit
einer Liedbearbeitung von "Höchlich werde gezwungen ich",
"a
la Viole bastarda", (wahrscheinlich 2. Hälfte 17. Jahrhunderts, RISM Bd.
VII, S.38), es befand sich in der großherzöglichen Bibliothek
Darmstadt, und ist wahrscheinlich 1944 verbrannt. Glücklicherweise ist es
mir gelungen in der Staatsbibliothek Berlin im Nachlass Wilhelm Tapperts
eine Abschrift dieses Stückes zu finden.5
NÄCHSTES KAPITEL - INHALTSVERZEICHNIS
1A. Otterstedt, MGG,
Bd. 5, S.1348 ff, Art. Lira; I. David, Diplomarbeit SCB Nr. 176, Basel 1995, S.
44-64.
2S.63
3Nach
der Faksimileausgabe, übersetzt und kommentiert von W. Eggers, München 1983,
S. XV.
4I.
Woodfield, The early history of the viol, Cambridge 1984, S. 212-222;
E.H. Jones s.o.
5D-B,
W. Tappert, 900-1900. Tausend Jahre Entwicklungsgeschichte der musikalischen
Zeichenschrift, Signatur: Mus. ms. autogr. theor. W. Tappert.