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In der
neuen,
barocken Tanz-Theater Produktion "Der Meerestrompettist" des
TEATRO ARCIMBOLDO erzählen vier TänzerInnen, ein Schauspieler und die
Musiker des Ensembles die spannende, tragicomische Geschichte des ersten
und einzigen Trompette marine-Virtuosen Jean- Baptiste Prin (1668-1743).
Seiner Kindheit in London als Trompette Marine-Wunderkind, seiner
Tanzausbildung im Paris Ludwigs des XIV., seiner Karriere am Hofe des
Sonnenkönigs und schliesslich der Denunziation und Verbannung nach
West-Indien/Mexico.
Sechs
Tanz-Szenen bebildern die spannende Lebensgeschichte J.B. Prins, dessen
Schicksal hier allerdings auch exemplarisch für den Werdegang eines
"barocken" Menschen steht. Die immer stärkere Einengung die
er als Tänzer und Trompette marine-Virtuose am Hof des Sonnenkönigs
durch das höfische Zeremoniell (bis hin zu Folter) erfährt - ähnlich
dem geometrischen Beschnitt des barocken Gartens - und schliesslich
seiner Befreiung von den äusseren Zwängen bei den afrikanischen
Sklaven in West-Indien/ Mexico.
Textautor (in
Zusammenarbeit mit T. Hirsch) und Dramaturg dieses aussergewöhnlichen
Tanz-Theater Stückes ist der Basler Schriftsteller und Hohlbein-
Preisträger Christopher Zimmer. Durch die Verbindung der
verschiedenen Elemente - der Texte, die auf historischem Material
basieren, französischer Barockmusik von Marais, Lully, Prin und Rameau,
afrikanischen Rhythmen, Barocktanz und Elementen der "Commedia dell’arte"
- ist neues, farbenprächtiges Tanz-Theaterstück entstanden.
Nach dem
Handlungsablauf und der Besetzung kommt auf dieser Seite ein Beitrag von Silke Berdux,
Trompette marine- Spezialistin und Leiterin der Musikintrumentensammlung
des Deutschen Museums/München. Einen Artikel über meine eigenen,
praktischen Erfahrungen mit der "Meerestrompete" und die
Entstehung dieses Theaterstückes (incl. Zeittafel der verwendeten
Materialien und Ereignisse) finden Sie ganz am Ende dieser Seite. |
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Handlung:
"Der
Meerestrompettist"
Barockes Tanztheater
um J.B. Prin,
Trompette marine-Virtuose und Tänzer
am Hofe des Sonnenkönigs
1.
Szene: |
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Der alte
Monsieur Prin befindet sich mit einem Handkarren auf einem
phantastischen, tropischen Weg in Mexico (West-Indien). Auf dem
Karren befinden sich seine gesamten
Habseligkeiten. Als plötzlich ein Rad des Karrens abfällt,
sieht sich Prin gezwungen am Wegesrand auf Hilfe zu warten. Er
beginnt von seiner Kindheit in London zu
erzählen: Obwohl er
viel lieber die verbreitete Viola da Gamba gespielt hätte, wird
er vom Vater gezwungen Trompette marine zu üben und als
"Wunderkind" mit ihm aufzutreten. Da Prin auch
Geschick zum Tanzen zeigt, schickt ihn der ehrgeizige Vater nach
Paris, der Stadt des Sonnenkönigs Ludwigs XIV., um sich dort im
Tanzen und im Trompette marine-Spiel zu vervollkommnen.
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Tanz:
Sternentanz mit Laternen, Auftritt
Ludwigs XIV. als Sonne.
Musik:
M. Marais, H. Purcell, J.B. Lully |
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2. Szene:
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Prin kommt nach Paris zum Tanz-Unterricht an die berühmte
"Academie
Royal de la danse". Die Tanzmeister prüfen
zuerst seine körperliche Tauglichkeit und Proportionen. Nach den
ersten Tanzlektionen sind sie überrascht von seiner schnellen
Auffassungsgabe und stellen ihm immer schwierigere Aufgaben.
Verärgert beobachten sie, dass Prin sie schon bald überflügelt
und schikanieren ihn deswegen. Endlich darf er sein Können auch
in Versailles vor dem König präsentieren.
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Tanz:
Virtuoser Tanzunterricht
Musik:
J.B. Prin (Premier Concert pour la Trompette marine) |
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3.
Szene: |
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In
Briefen berichtet Prin seinem Vater über seine Fortschritte bei
Hofe: Der König war so von Prins Trompette-Spiel begeistert,
dass er ihm die nächste
freiwerdende
Stelle bei den königlichen "Trompette marines et cromornes
du Roy" versprochen hatte. Inzwischen findet Prin ein
Engagement am "Theatre de la Foire" als Tänzer und
Harlequin. Dort werden, nachdem ein Canovaccio (Inhaltsangabe)
vorgelesen wurde, Commedia dell’ arte Stücke improvisiert.
Prin verliebt sich in die Tochter des Prinzipals, kann ihr aber
nur auf der Bühne in ihrer Rolle als Harlequina näher kommen,
da der eifersüchtige Vater streng über sie wacht.
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Tanz:
Commedia dell’
arte Szene mit Harlequin, Halequina und strengem Vater (Pantalone)
Musik:
J.P. Rameau |
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Pause ******
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4.
Szene:
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Bei Hofe gibt es zahlreiche
Neider, die
Prin seinen gesellschaftlichen Aufstieg nicht gönnen. Er wird
denunziert, verhaftet, in die Kerker der Bastille geworfen und
gefoltert. Obwohl sich die Haltlosigkeit der Vorwürfe bald
herausstellt, wird er nach West-Indien (Mexico) verbannt, und darf
Frankreich zu Lebzeiten Ludwigs XIV. nicht mehr betreten.
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Tanz:
Tanz der Folterknechte und
Zanni
Musik:
A. Forqueray |
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5. Szene:
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Prin schifft sich von
Nantes aus nach West-Indien ein.
Nachdem die Reise zuerst ruhig verläuft, ballen sich bald dunkle
Wolken am Horizont, Wind und Wellen werden immer stärker und es
bricht ein heftiger Sturm los, der das Schiff fast untergehen
lässt. Als der Sturm schliesslich vorüber ist tritt Windstille
ein. Endlich kommt der Hafen von Veracruz in Sicht.
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Tanz: Tanz
der Matrosen, Sturm.
Musik: M. Marais, J.B. Lully |
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6. Szene: |
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Von
Veracruz reist Prin auf dem Landweg weiter nach Mexico-Ville. Er
wird vom dortigen Vizekönig und der höfischen Gesellschaft
freundlich empfangen. Alle sind begierig auf Neuigkeiten vom Hof in
Paris. Schliesslich wird Prin sogar eingeladen die berühmte "Akademie
der Wissenschaften" von Mexico-Ville zu besuchen und über sein
besonderes Instrument zu referieren. Sein Vortrag stösst dort
allerdings auf wenig Interesse. Als
Prin eines Nachts erwacht, hört er eine seltsame, fremdartige
Musik. Er macht sich auf die Suche nach deren Ursprung. Im Urwald
sieht er afrikanische Sklaven tanzen und ein seltsames Instrument
spielen. Prin erkennt in diesem "Ungurungo" eine Urform
seiner Trompette marine und es entwickelt sich ein tänzerischer
Dialog zwischen den beiden Kulturen.
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Tanz: Tanz
der afrikanischen Sklaven
Musik: J.P. Rameau
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(Dauer
ca. 85 Min reine Spielzeit)
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Zur Geschichte der
Trompette marine
"Ni trompette, ni marine",
schrieb Paul Garnault 1926 über die Trompette marine. Der Name ist nicht
das einzig eigenartige an diesem Instrument. Immerhin handelt es sich um
ein Streichinstrument mit einer einzigen Saite, das klingt wie eine
Trompete.
Im 17. Jahrhundert aus dem Trumscheit entstanden, war die Trompette marine bis
ins 19. Jahrhundert in Mitteleuropa weit verbreitet und keineswegs das
abseitige Instrument, als das sie uns heute erscheint. Dies zeigen auch weit
über 200 erhaltene Instrumente in Museen und Sammlungen in aller Welt.
Während die Trompette marine in Deutschland, Österreich, der Schweiz und
Tschechien vor allem in Klöstern und Kirchen gespielt wurde, findet man sie
zum Beispiel in Italien in Opern mit maritimen Themen und in Frankreich am
Hof. Doch gelangte sie – wie mehrere Darstellungen aus dem Beginn des 18.
Jahrhunderts belegen – auch bis nach Mexiko.
Verantwortlich für
den charakteristischen trompetenartigen Klang des Instruments ist der
asymmetrische, schuhförmige Steg, der nur mit einem, dem
kurzen Fuss auf der Decke steht, während der andere über dieser schwebt.
Wird die Saite mit dem Bogen in Schwingung versetzt, schlägt der längere
Fuss auf die Decke und verursacht so den schnarrenden, trompetenartigen Ton.
(nebenstehendes Bild: Trompette marine-Steg nach J.B. Prin.) Gespielt wird die
Trompette marine in Flageolettmanier, d. h. die Saite wird nicht auf das
Griffbrett gedrückt, sondern nur in den Schwingungsknoten berührt. Dadurch
entspricht nicht nur der Klang, sondern auch die Tonfolge der der Trompete.
Im November 1660
verwendete Jean-Baptiste Lully das Instrument am französischen Hof zum ersten
Mal. Wohl angeregt durch den Namen gab er es in den Ballettintermedien, die er
für die Oper Xerse des italienischen Komponisten Francesco Cavalli
geschrieben hatte, Matrosen in die Hand. Bereits im folgenden Jahr, dem ersten
der Alleinregierung Ludwigs XIV., wurde eine eigene Gruppe „Cromornes et
trompettes marines" mit fünf Stellen eingerichtet. Sie war Teil der
„Grande Ecurie", der für die Musik zu offiziellen Zeremonien und
Veranstaltungen im Freien zuständigen Abteilung der Hofmusik. Im Jahr ihrer
Gründung spielten die „Cromornes et trompettes marines" in
Fontainebleau, wo die Hofgesellschaft am Kanal zu den Klängen von Geigen und
Trompettes marines speiste, 1713 zur Unterzeichnung des Friedens von Utrecht
in Paris. Zusammen mit anderen Instrumenten wurde die Trompette marine auf den
Titelblättern der Veröffentlichungen von Hofmusikern abgebildet, so 1660 auf
dem der Airs von Michel Lambert, 1709 auf dem der Motets meléz
von Marc Antoine Charpentier. Doch stand sie wohl nicht bei allen in hohem
Ansehen. Molière liess Monsieur Jourdain, die Hauptperson seiner 1671
aufgeführten Komödie Le bourgeois gentilhomme (Der Bürger als
Edelmann), zu einem ausgewogenen Ensemble aus drei Singstimmen, Cembalo,
Theorbe, Gambe und zwei Violinen eine Trompette marine fordern, um so dessen
Unwissenheit und Mangel an Geschmack zu charakterisieren.
Der mit Abstand
bekannteste Spieler der Trompette marine war Jean-Baptiste Prin (um 1669 bis
nach 1742). Prin stammte aus England, wo er nach seinen eigenen Angaben auch
das Spiel der Trompette marine erlernte hatte. Vielleicht war sein Vater jener
„Mr. Prin", der 1667 das Instrument
erstmals in London zu Gehör brachte. Vor 1689 kam Prin nach Frankreich. Von
1698 bis 1704 trat er als Tänzer und Schauspieler (in der Rolle des Arlequin)
am Theatre de la Foire in Paris auf. Eine solche Szene mit einer auf dem Boden
liegenden Trompette marine stellte Claude Gillot um 1716 in seinen Theatre
Italien dar. Als Instrumentalist widmete Prin sich
offenbar ganz dem Spiel der Trompette marine. Er trat an verschiedenen Orten
als Virtuose auf, 1702 spielte er im Trianon in Versailles und erhielt dafür
von der Herzogin von Burgund ein Livre de la Musicque du Roy, das die
Trompetenstimmen von Werken Lullys enthielt. Er komponierte zahlreiche Stücke
für sein Instrument, 75 Airs de trompette et viollons sowie 4 Bände
mit Concerts de trompette, haubois et viollons sind erhalten, und
bearbeitete Werke von Lully, Hotteterre und Philidor. Und er unterrichtete
dessen Spiel.
Besonders wichtig für uns ist das handschriftliche Memoire sur la
trompette marine, das er 1742 zusammen mit seinem Instrument, dem Livre
de la Musique du Roy und seinen Kompositionen der Musikakademie von Lyon
überließ. Prin beschreibt in ihm ausführlich die von ihm verwendete Trompette
marine organisée und deren Spielweise. Eine Besonderheit des Instruments
sind Resonanzsaiten im Korpusinneren, die beim Spiel zum Mitschwingen angeregt
werden. Zudem hat es einen sog. „Guidon", dessen Erfindung Prin für
sich reklamiert. Mit dieser Hilfssaite kann der Abstand des frei schwingenden
Fusses des Steges zur Decke modifiziert und dem Instrument – so Prin –
wahlweise „la force d’une trompette de bouche, la douceur d’une flute
et l’harmonie d’Clavecin" gegeben werden.
Eine Besonderheit in Prins "Memoires" stellt auch seine
Beschreibung eines afrikanischen Instruments dar, das er als möglichen
"Urform" der Trompette marine bezeichnet. Es handelt sich dabei um
einen Musikbogen, wie er in Afrika heute noch gebräuchlich ist, und der in
Südamerika/Brasilien unter dem Namen Berimbao bekannt ist. Prin beklagt sehr,
dass er keine Nachfolger habe, doch wurde die Trompette marine in Frankreich
bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts gespielt. Noch 1761 nennt
François Alexandre Pierre de Garsault sie in seinem Kavaliershandbuch Notionaire
ou Mémorial unter den „Instrumens d’amusement". Danach
verschwand das Instrument, wie in den meisten Regionen Europas, aus dem
Musikleben. Allerdings erlebte es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
eine Renaissance: In den aufkommenden privaten und öffentlichen
Instrumentensammlungen war die Trompette marine ein „Muss" – als
Instrument, über dessen Geschichte wenig bekannt war, durfte sie wie Busine,
Blockflöte, Gambe und Viola d’amore nicht fehlen. |
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Von
der Idee zum Stück "Der Meerestrompettist"
Um die
Entstehung unserer neuen Produktion "Der Meerestrompettist",
die aus mehreren Gesichtspunkten etwas ganz Besonderes ist zu
erläutern, muss ich etwas weiter ausholen:
Schon lange war ich in vielen Musikinstrumenten-Museen fasziniert von
diesem ca. zwei Meter grossen Streichinstrument mit nur einer
Spielsaite, das Tromba marina oder Trompette marine genannt wird. Ich
habe mich oft gefragt wie es wohl klingen würde, aber leider gibt es
bisher keine CD-Aufnahme mit diesem Instrument, das im 18. Jahrhundert
sehr verbreitet war. In Frankreich gab es sogar einen Trompette marine-
Virtuosen namens Jean-Baptiste Prin (1669-1743), der auch vier
Solokonzerte für das Instrument geschrieben hat.
Als es mir
schliesslich gelang das bisher als verschollen geglaubte Instrument
Prins in einer Schweizer Privatsammlung zu finden, liess ich mir zwei
Kopien davon anfertigen. Das erste Projekt an dem ich (zusammen mit
Michael Bürgin) die Instrumente gespielt habe, fand im Herbst 2003
unter dem Titel "Musik aus Schweizer Klöstern mit Tromba
Marina" statt. (Eine CD mit demselben Programm wird 2004 bei
dem Label "Musiques Suisses" erscheinen.)
Im Zuge meiner
weiteren Forschung über J.B. Prin stellte sich heraus, dass dieser um
1700 in Paris als Tänzer, Schauspieler (in der Rolle des Harlequin) und
Trompette Marine-Virtuose gearbeitet hatte. Auch am Hof Ludwigs XIV.,
der innerhalb seiner königlichen Hofmusik eine Abteilung "Cromornes
et trompettes marines et du Roy" hatte, ist sein Spiel belegt.
1742 schrieb Prin seine Mémoires, die zum Einen eine reiche Quelle für
das Spiel der Trompette Marine darstellen, in welchen er aber auch über
seine Entdeckung des Ursprungs der Trompette Marine in dem afrikanischen
Instrument Ungurungo (welches noch heute in Brasilien unter dem
Namen Birimbao gespielt wird) schreibt.
Inspiriert von
diesem Material, der spannenden Zeit um 1700 am Hofe des Sonnenkönigs,
der historischen Literatur (wie z.B. Molière: Le Bourgeois
gentilomme, Swift: Gullivers Reisen, Liselotte von der Pfalz:
Briefe, J. de Monségur: Mémoires du Mexique, Behr: L’art
de bien danser), den zahlreichen herausragenden Entdeckungen
(Newton: Gravitation, Licht / Papin: Unterseeboot / Halley:
Kometenbahnen) und der faszinierenden französischen Barockmusik von
Lully, Marais, Forqueray, Rameau und Prin ist - in Zusammenarbeit mit
dem Basler Schriftsteller und Hohlbein- Preisträger Christopher Zimmer
- ein neues Tanz- Musik-Theaterstück entstanden.
Die folgende
Zeittafel soll einen Überblick über das verwendete historische
Material und die geschichtlichen Ereignisse geben:
Zeittafel:
1651 |
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Zwischen
1651 und 1659 trat Ludwig XIV. in neun Ballets de Cour
auf (u.a. in der Rolle der aufgehenden Sonne). |
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1656 |
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Marin
Marais geboren. |
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1660 |
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Lully
verwendet Trompettes marines in seiner Ballett-Musik zu
Cavallis Xerxes (Trompette marine spielende Matrosen),
welcher anlässlich der Hochzeit Ludwigs XIV. aufgeführt
wurde. |
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1661 |
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Einrichtung
der "Cromornes et Trompettes marines des Ecuries du
Roy" (Mitglieder u.a. Jean Danican Philidor, André
Danican Philidor, Nicolas Dieupart.) Diese Abteilung der
Hofmusik ist bis 1762 belegt, also über 100 Jahre!
In Fontainebleau bestand das Abendvergnügen Ludwigs XIV.
während des Sommers darin, in einem auf dem Kanal
schwimmenden Boot, begleitet von Violinen und Trompette
marines ein leichtes Mahl zu sich zu nehmen. |
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1667 |
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Artikel
im Mercure Galant (Paris) über ein Fest am Fluss bei
welchem es vier Boote mit Musikern gab. In einem Boot waren
die Trompette marines, welche - indem sie den anderen
Trompeten antworteten - den "angenehmsten Effekt der
Welt" machten. |
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1667 |
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In
London schreibt Samuel Pepys in seinem "Geheimen
Tagebuch": "Ich ging in das Haus in der Nähe
von Charing Cross ... um einen Franzosen Namens Monsieur Prin
(Anm.: wahrscheinlich J.B. Prins Vater) auf seiner Trumpet
Marine spielen zu sehen. Er tat dies so unglaublich...." |
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1669 |
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(oder
1668) Jean-Baptiste Prin wird in England geboren.
Wahrscheinlich erhielt er seinen ersten Trumpet marine
Unterricht bei seinem Vater. |
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1670 |
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Molière:
Abfällige Erwähnung der Trompette marine im "Bourgeois
Gentilhomme" |
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1673 |
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Molière
stirbt kurz nach einem Auftritt in seinem letzten Stück "Le
malade imaginaire" an Tuberkulose. Molière,
Schauspieler, Regisseur und Komödienschreiber wurde von
Ludwig XIV. so sehr geschätzt, dass er ihn sogar einmal zu
einem Diner einlud, was damals geradezu ein Skandal war. |
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1674 |
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In
den Memoiren des Adligen Primi Visconti findet sich eine kurze
Beschreibung des petit coucher. Voller Erstaunen
berichtet Visconti, dass der König von seinen Kammerherren
umgeben war, selbst wenn er auf seiner chaise percée (seinem
Toilettenstuhl) sass. |
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1675 |
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London
Gazette: "Seltenes Konzert mit vier Trumpet Marines, nie
zuvor in England gehört! ..." |
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1681 |
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Liselotte
von der Pfalz ist am Hof Ludwigs XIV. In ihren Briefen
schreibt sie sehr freizügig über das Leben bei Hofe.
(Teilweise ähnlich derb wie W.A. Mozart später in seinen
Bäsle-Briefen.) |
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1682 |
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Ein
Komet erscheint. Seine Bahn wird von Halley nach Newtons Mechanik
vorausberechnet. |
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1683 |
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Rameau
wird geboren (1683-1764), Purcell (1658-1695) wird englischer
Hofkomponist. |
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1687 |
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Newton
publiziert seine revolutionären Entdeckungen über die
Gesetzte der Schwerkraft unter dem Titel: Philosophia
naturalis principia mathematica. |
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1692 |
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Papin
konstruiert ein Tauchschiff. |
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1698 |
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Prin
ersetzt Renaud in der Rolle des Harlequin am Theatre de la
Foire St. Germain in Paris (bis 1704) und arbeitet dort
als Tänzer, Schauspieler und Trompette marine Virtuose. |
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1700 |
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Philipp
V., Enkel Ludwigs XIV. wird König von Spanien. |
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1702 |
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Prin
gibt am 15. Juli ein Konzert im Park von Versailles. Bei
dieser Gelegenheit wird er von der Duchesse de Bourgogne mit
einem Buch aus der königlichen Bibliothek mit
Trompetenstücken Lullys beschenkt. |
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1704 |
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Prin
verlässt Paris. |
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1708 |
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Jean
de Monségur verfasst seine "Mémoires du Mexique" |
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1713 |
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Zur
Feier der Verkündung des Friedensvertrages von Utrecht
spielten in Paris die "Cromornes et trompettes de la
chambre et grand Écurie du Roy" zusammen mit den
königlichen Trompeten, Oboen, Pfeifen und Pauken.
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Druck von Samuel
Rudolph Behrs "L’art de bien danser/Die Kunst wohl
zu tanzen." |
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1715 |
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Tod
Ludwigs XIV.
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Im Orchester der
Akademie von Lyon ist das Spiel von Trompettes marines belegt.
Im selben Jahr baut Imbert in Lyon eine Trompette marine für
Prin. |
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1716 |
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Watteau
malt den: Mezzetin und andere Commedia dell’ arte
Szenen. |
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1719 |
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Erscheinung
des Robinson Cruesoe Daniel Defoe. |
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1722 |
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Harmonielehre
von J.P. Rameau |
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1722 |
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Hochverratsprozeß
gegen den Bischof von Rochester, Francis Atterbury . Hinweise
in Atterburys Korrespondenz auf einen Hund namens Harlequin,
den er aus Frankreich zum Geschenk erhalten hatte und der sich
auf der Reise ein Bein gebrochen hatte, wurden während des
Prozesses gegen ihn verwendet. Atterbury wurde schuldig
gesprochen und ins Exil geschickt. |
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1723 |
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Premiere
von Prins Deuxiéme Concert in Nizza am 21. August. |
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1726 |
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Erscheinen
von Jonathan Swifts phantastischem Roman Gullivers Reisen.
(Im 19. Jahrhundert wurde Swift oft seine exkrementelle
Phantasie vorgeworfen. Anscheinend war man aber im 18.
Jahrhundert was dies anbelangt weniger prüde als später.)
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Voltaire geht nach
zweimaliger Haft in der Bastille bis 1729 nach England |
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1728 |
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Marin
Marais gestorben (1656-1728) |
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1735 |
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Prin
heiratet in Lyon, Taufe eines Kindes aus dieser Ehe.
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In Mexico-Ville ist
auf einem geschnitzten Orgelgehäuse von José Nasarre ein
Trompette marine spielender Engel dargestellt. |
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1737 |
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Prin
zieht nach Strassburg. |
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1742 |
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Prin
verfasst sein "Traité sur la trompette marine"
in welchem er über Geschichte (Erwähnung einer afrikanischen
Ur-Trompette), Bau und Spieltechnik der Trompette marine
schreibt. |
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1743 |
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Prin
stirbt in Strassburg. |
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Besonders
spannend an diesem Projekt waren auch die musikalisch- ästhetischen
Fragen, die sich bei der Suche nach dem Klang von Prins Trompette marine
ergeben haben: Warum empfinden wir heute einen schnarrenden,
schmetternden Klang in der Barockmusik als fremdartig, der in der
damaligen Zeit anscheinend normal war? Warum geht die Klangvorstellung
heute in der "Alten Musik" genauso wie in der romantischen
Musik immer mehr in Richtung eines dunklen, grundtönigen Klanges und
jeder "Geräuschanteil" wird möglichst vermieden oder wenn
schon im "Höllenbereich" angesiedelt wie z.B. beim Regal? Im
Pop- und Jazzbereich oder in anderen Kulturen akzeptiert man dagegen
diskussionslos verschiedenste, teilweise mit hohen Geräuschanteilen
verbundene und verzerrte Klänge als "ausdrucksstark" und
"persönlich".
Ähnlich
paradox verhält es sich mit den "unsauberen" Obertönen.
Trotz allem Bemühen um die historische Aufführungspraxis werden heute
fast nur Naturtrompeten mit Grifflöchern verwendet, um
"sauber" spielen zu können. Und dies, obwohl es keinen
einzigen Beweis für die Verwendung solcher Grifflöcher, und auch kein
einziges erhaltenes Originalinstrument mit solchen Löchern gibt. Die
Schwierigkeiten mit denen die historischen Trompeter (und heutige
"echte" Natur- trompeter) zu kämpfen hatten, waren dagegen
enorm, da die Intonation nur durch das sogenannte "Treiben"
mit den Lippen korrigieren werden konnte.
Dies könnte
vielleicht einer der Gründe für die grosse Verbreitung der Trompette
marine gewesen sein. Es ist auf ihr viel einfacher, die
"unsauberen" Obertöne (vor allem 11. und 13. Partialton) zu
korrigieren, indem man mit dem Daumen etwas fester gegen die Saite
drückt. Es lässt dann allerdings der "Schnarrklang" nach und
es klingt ähnlich wie die gestopften Töne des Naturhorns.
Eine
Reduzierung der Trompette marine nur auf einen Trompeten-Ersatz
erscheint mir sehr fragwürdig. Zum einen gibt es Belege für Klöster
im Alpenraum, in welchen im 18. Jahrhundert gleichzeitig Trompete und
Tromba marina gespielt wurde, zum anderen hätte es dann keinen Grund
gegeben am französischen Hof über 100 Jahre eine Abteilung "Cromornes
et trompettes marines" zu finanzieren, da dort zeitgleich immer
ein Ensemble mit Naturtrompeten, die "Trompettes de la Grande
Ecurie" existierte.
Das Ergebnis
dieses musikalischen "Abenteuers", können Sie in unseren
Aufführungen des "Meerestrompettisten" geniessen und
mit dem TEATRO ARCIMBOLDO eine unbekannte, vergessene Klangwelt
entdecken. |
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